Kurzgeschichte mit kräftigem Humor.
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Autorin Alinka Anna


14 Geschworene und ich, der Penner

14 Geschworene Namen:
Weizen-Willy
Suppen-Gespenst
Mekki der Beißer
Campari-Carl
Brillen-Bernie
Truck-Alfons
Porree-Paul
Fifi-Frida
Pils-Piesle
Gedeck-Eksi
Casino-Conny
Schlitten-Wolle der Vollweise
Pfläumchen-Mona mit Tochter Mia
Kübel-Charly

Seid ihr alle verrückt geworden? Wollt ihr mich fertig machen, vernichten? So geht es nicht mehr.
Mit diesem verzweifelten Selbstgespräch schließe ich die Tür und hoffe, meinen Freund anzutreffen.
Habe ich mein Handy dabei? Ich bin fertig, platt, brauche Hilfe.

Wer spricht denn?
Hey, bist du es Arbeitstier? Wie ist es?

Lass uns treffen, ich kann nicht mehr. Sehen wir uns gleich im Pub?

Klar alter Junge, ich bin gleich bei dir.

Du bist kaum wieder zu erkennen, sag, was ist los?

Seine Frage hat mich noch viel mehr beunruhigt, denn er hat ausgesprochen, wie ich mich tatsächlich fühlte. Ich habe ihm meine letzten arbeitswütigen Jahre mit knappen Worten beschrieben und erwartete, dass er mich ganz weit weg, mindestens 20 Stunden Flugzeit weg schickt.

Du fliegst nicht, sagte er sehr bestimmend. Mit Fliegen löst du dein Problem nicht. Was du brauchst ist ein Seelenwechsel, der dir deine Arbeit vor allem aber den Rummel um dich herum vergessen lässt.
Du fährst nach Bümmelbeck.
Ich war vor Jahren mit einer Autopanne dort gelandet und bekam Hilfe in einer kleinen Kneipe. Wenn ich bloß den Namen noch wüsste, hat etwas mit Yacht, oder so etwas zu tun. Fahr du mal dorthin für ein paar Tage und finde die Kneipe, fügte er vielsagend hinzu. Lass dich nicht unterkriegen, alter Junge.

Sein Vorschlag klang so absurd, dass ich daran glauben wollte. Schnell die Reisetasche gepackt und ab nach Bümmelbeck. Alleine der Gedanke, dass ich bald Erholung finde, hat mich schon beruhigt. Ich fuhr auf Landstraßen, um mich besser entspannen zu können.
Nach einigen Stunden lud mich ein kaum lesbares Schild ein, Bümmelbeck.
Neugierig und mittlerweile verzweifelt suchte ich nach einem Hafen, zumindest nach einem Tümpel, um dort mit dem Namen Yacht eine Kneipe zu finden.
Mein lieber Freund, wo hast du mich denn hingeschickt? – Fragte ich laut und dann ging es nicht mehr weiter. Auch das noch, das passt zu mir, Sackgasse.
Ich steige aus, um nach einer Wendemöglichkeit zu suchen und höre laute Musik aus einem winzigen Gebäude, das einer Garage ähnelte.
An der Tür ein angenagelter Bierdeckel, daneben ein nicht gerade edle Messer Gravur mit der Schrift:
KOJE für auserwählte Gäste.
Das ist doch nicht wahr, nein.
Ich mache ein paar vorsichtige Schritte in das Innere der Bretterbude. An der zurechtgenagelter Theke saß ein Gast, der mit aller Wahrscheinlichkeit vom Vortag übergeblieben war.

Was willst du Penner? Er drehte sich zu mir um und bevor ich nur etwas sagen konnte, forderte er die Bedienung auf: Mia, gib mir einen Weizen auf den Penner, halt, auch noch ein Wasser auf den Penner.
So, jetzt kannst du Willy zu mir sagen, ich bin der Weizen-Willy, Prost Penner!

Chance etwas zu sagen, oder gar fragen hatte ich nicht. Hinter mir schlich sich ein Gast vorbei und setzte sich an den klapprigen Tisch neben der Theke. Willy bestellte für ihn gleich ein Gedeck Pils mit Wodka mit den Worten, das ist vom Penner, hau rein Eksi.

Heißt du wirklich Penner? – Fragte mich mein Gedeck-Nachbar.

Er sah so abgemagert aus, dass ich bezweifeln musste, ob er überhaupt Mahlzeiten zu sich nimmt.
Zu meiner größten Überraschung sagte ich ja, Penner stimmt.
Ich fing an, mich in dieser Rolle angenehm befreit zu fühlen. Er stellte sich als Gedeck-Eksi vor.
Wie spät habt ihr, fragte ich vorsichtig. Willy antwortete prompt, ohne sich dabei umzudrehen.

Pass auf Penner, wenn die Frau von neben an, die Rita vom Gedeck-Eksi in der Tür steht und ruft Essen fertig, dann ist es Mittag. Ansonsten ist es entweder hell, oder dunkel. Ist das jetzt klar?

Schichtwechsel, rief Mia und schrieb mir gleich noch ein saftiges Trinkgeld auf den Deckel.

Von außen röhrte eine Frauenstimme in den Raum:
Wen haben wir denn da, zeigte sie auf mich. Wer bist denn du Wüstling?
Ich bin der Penner sagte ich, wie selbstverständlich.
Liebling, ich bin die Mona. Jetzt kriegst du von mir einen ganz sauberen Deckel und wir schreiben ihn voll mit Pfläumchen. Ich trinke nur Edles.

Willy flüsterte mir zu, dass ich wohl mit Pfläumchen-Mona doch gut halten sollte, denn in ihre Statur hätte ich zweimal reingepasst. Sollte sie mir ihre Lebensgeschichte erzählen, dann steht ihr ein Kasten Pfläumchen zu.
Ich hatte keine Ahnung wieviel das ist und mit welcher Lebensgeschichte der Kasten verbunden ist.
Mona packte mich am Kragen und hob mich schon fast mit Kopf über die vermoderte Theke und eröffnete, dass sie schon immer auf Pfläumchen gestanden hat. Uns Männer mag sie nicht. Eigentlich liebt sie nur ihre Tochter Mia.

Moment mal Mona, wie soll ich das jetzt verstehen, fragte ich. Tochter?

So, die Mona hat dich sauber erwischt, jetzt kommst du um den Kasten Fussel nicht herum, sagte Willy und bestellte sich gleich weitere Weizen auf meine Rechnung.

Mein Liebling, grinste mich Mona mit ihrem breiten Gesicht an, während sie die 25 Fläschchen um sich herum bereits versammelt hatte.
Es war ein Zufall und ein Glücksfall, dass ich euch Männer nicht bei vollem Bewusstsein ertragen musste.
Deine Mona war mit ihrer Clique feiern. Alle gingen nach Hause, bis auf mich. Ich bin noch in der Parkkneipe hängengeblieben, edle Getränke, du verstehst? Dann schlief ich auf einer Parkbank ein. Als ich wach wurde befand sich meine neue Tuch Hose 20 Meter entfernt, meinen Schlüpfer habe leider verloren. Dafür fand ich meine Tochter Mia 9 Monate später.

Willy schubste mich kurz, dass ich wohl Mona jetzt am besten gratulieren sollte, sonst haut sie mir die verrostete Zapfsäule auf den Kopf. Ich habe mich lieber für eine neue Lokalrunde entschieden.

Willst du schon gehen Penner, fragten mich meine neuen Freunde.

Nicht ganz, nur für heute. Morgen komme ich wieder.

Penner, morgen ist Poker dann bist du hier, wie gesagt, wenn es hell ist.

Ich schwankte zwischen Staunen und Schmunzeln als ich die Koje verlassen habe. Die kleine Kneipe hatte etwas Magisches.
Meine Suche nach einer Bleibe entwickelte sich als äußerst schwierig, doch schließlich fand ich zwei Straßen weiter eine Pension mit erheblichen Kompromissen. Die neuartigen Ereignisse haben mich derart beschäftigt, dass ich beim Einchecken beinah Penner als Familienname angegeben hätte.
Meine hygienischen Bedenken bei Seite, bat ich die Wirtin mir eine Suppe zu ermöglichen.

Ab halb 9 abends gibt es hier keine Suppe!

Sie sagte es so barsch und bestimmend, dass ich mich nicht getraut habe, nach dem Grund oder nach einem anderen Kleingericht zu fragen.
Über ein paar Scheiben Zwieback und Pralinen aus meiner Reisetasche habe ich mich dann sehr gefreut. Mehr war für heute nicht drin.

Geschlafen habe ich wie ein Murmeltier und entspannt wartete ich auf mein Frühstück, das unerwartet sehr üppig ausfiel.
Auch die weiße Tischdecke imponierte mir.
Meine Wirtin hat mich während des Frühstücks unterhalten und stolz berichtet, dass sie für mich heute eine wunderbar frische Suppe mit köstlicher Einlage bereits auf dem Herd hat. Ich möge doch schon am Mittag kommen und ob ich ihren Mann bereits kennen würde.
Nein, antwortete ich.
Ist dir der Name Suppen-Gespenst bekannt?
Nein, kenne ich auch nicht.
Der ist mein Mann und hier Kellner. Du wirst ihn noch in der Koje kennen lernen. Abends um 8 ist er immer betrunken und verschüttet die Suppe. Deshalb hast du gestern keine bekommen.

Hast du denn den Prothesen-Toni schon kennen gelernt?
Nein, nie von ihm gehört.
Der Toni ist Stammgast in der Koje und wohnt hier gleich gegenüber. Nach seinem Unfall trägt er eine Beinprothese und geht auf Krücken. Der Toni wird immer wütend, wenn er betrunken ist. Er hat mal so reichlich gebechert, dass er aus Wut seine Beinprothese in den Schuttcontainer geworfen hat. Jetzt kannst du dir vorstellen was passierte? Passanten haben im Container das Bein entdeckt und die Polizei geholt. Alle suchten erst mal nach dem Toten.
Hier war was los! Wir haben uns schief gelacht.

Wenn du was zum Waschen oder Bügeln hast, mache ich gern. Du bist in Ordnung.

Danke, wir sehen uns dann Mittag.

Bis dahin plante ich einen ausgiebigen Spaziergang nicht ahnend, dass mir Weizen-Willy über den Weg läuft.
Penner, wir warten auf dich, rief er mir zu.
Er wandte sich mir vertrauensvoll zu und erzählte.
Ich bin vom Beruf Architekt, sagte er mit leuchtenden Augen, gehöre aber leider dem Alkohol nicht abgeneigten Spezies. Bevor ein Haus oder eine Brücke meinetwegen herunter donnert, habe ich es mit dem Beruf lieber gelassen, lebe in meiner eigenen Welt. Wenn du so willst als mutiger Träumer.
Seine Ehrlichkeit und Vertrauen haben mich tief berührt.
Bevor ich in Mitleid versunken wäre forderte er mich auf, jetzt gleich die Koje zu besuchen.
Die Koje war bevölkert, ah was, die war überbevölkert. Mia und Mona standen schon hinter der Theke und gaben den Befehl: Penner herein! Lokalrunde auf den Penner!
Ich nahm Platz zwischen Weizen-Willy und einem schweigsamen, gut aussehenden Gast. Willy stellte ihn mir als Mekki, der Beißer vor. Meine Neugierde hat diesmal nicht gesiegt, so habe ich auch nicht nach der Deutung seines Namens gefragt. Gedeck-Eksi hat mich freiwillig aufgeklärt.

Der Mekki, der hat seine eigene Geschichte, sagte er. Stell‘ dir doch mal vor. Wir sammeln hier für seine Dritte Zähne. Oben, unten alles schon fertig. Den Zahnklempner kennen wir hier aus der Kneipe. Er hat super Arbeit gemacht und wir haben alles bezahlt. Nicht mal Lokalrunde haben wir vom Klempner angenommen.
Dann aus Freude bringt meine Frau dem Mekki einen Teller frischen Braten mit selbstgemachten Knödeln.
Der Bekloppte nimmt seine Zähne raus, stellt sie auf den Teller, klemmt einen Knödel dazwischen und ruft:
So, jetzt friss alleine!
Eine Zeit lang hatte er dann die Zähne in der Hosentasche, dann fielen sie ihm beim Pinkeln ins Klo.
Jetzt redet er nicht. Schöne Augen macht er trotzdem, auf Mia ist er scharf.
Ohne Zähne kriegt er sie garantiert nicht, wetten wir?

Hallo-Hallo, ihr seid alle Clowns, sang eine zarte Stimme von der anderen Seite der Theke. Die zarte Stimme gehörte einer Greisin. Auf Stock stützend nahm sie an der Theke Platz.
Gibt es denn hier keinen Gentleman, rief sie und Mona reagierte sofort.
Frida, wir haben doch den Penner, der spendiert.
Für mich bist du nicht der Penner, du bist mein Clown, sang sie weiter und fröhlich kippte sie den Schnaps in ihr mit Wasser gefülltes Glas.

Ich schaute sie von allen Seiten an, es stimmte etwas nicht. Mir wurde schwindelig.
Willy, fällt dir nichts auf, fragte ich.
Penner, es ist so, wenn die Frida nüchtern ist, singt sie nicht. Wenn sie nur ein wenig gekippt hat, ist ihre Fifi linksseitig gerutscht. Wenn sie Oberlippe-Unterkante ist, rutscht ihre Fifi nach rechts. Und jetzt ist ihre Perücke rechts. Penner, ich sehe, du brauchst Unterricht.

Nach einer weiteren Lokalrunde verließ ich die Koje, um meine Wirtin und ihr Suppen-Gespenst nicht zu enttäuschen. Wie eine Brise frischer Wind spürte ich die Leichtigkeit zu gehen, zu denken und meine Umgebung wahrzunehmen. Mein Herz wurde mein Freund. Ich sprach mit ihm und empfand Glück.
Skurrile, gescheiterte, übrig gebliebene Menschen waren meine neuen Freunde gewiss nicht.
Sie haben es einfach nur verstanden, wie Glücklich sein funktioniert.
Das Mittagessen bei meiner Wirtin war köstlich und erinnerte mich an früher, auf dem kleinen Hof meiner Großmutter, bei der ich aufwuchs.
Lina meine Wirtin und ihr Suppen-Gespenst haben sich während des Mittagessens zu mir gesetzt. Ich war sehr gerührt, wie Schick sie sich meinetwegen aufgemacht haben. Suppen-Gespenst war früher Hotelier und Lina hatte ein gut gehendes Café. Beide Einheiten auf der gleichen Straße, die einer wunderschön bepflanzten Allee ähnelt.
Viele Fotos haben sie mir von früher gezeigt.
Wir sind betrogen worden, sagte sie. Meinen Mann hat der Verlust sehr stark getroffen.
Frühere Bekannte und Freunde machen jetzt einen Bogen um uns als wäre unser Schicksal ansteckend.
Diese kleine Pension haben wir gepachtet, aber es fehlt an allem und investieren ist nicht drin.
Warst du denn mit deinem Essen zufrieden fragte sie dann, um die Stimmung aufzuhellen.

Du hast gezaubert, es war köstlich. Lina, ich werde euch nicht vergessen, komme noch auf euch zurück.
Beide schauten mich staunend und fragend an, meine Bemerkung empfanden sie wahrscheinlich als pure Höflichkeit.

In der Hoffnung, dass diesmal meine neuen Freunde mir nicht erneut über den Weg laufen, um mich gleich in die Koje zu schleppen, ging ich im Grünen spazieren. Den leichten Regen habe ich genüsslich auf mich prasseln lassen. In der Grünanlage entdeckte ich eine Pergola.
Näher kommend sah ich einen nachdenklichen, in sich gekehrten schreibenden Mann.
Seine Fantasien müssen ihn derart gefesselt haben, dass er mich erst wahrnahm als ich mich zu ihm hinsetzte.
Ich bin der Bernie sagte er, ohne mich dabei anzusehen. Du kannst bleiben, sonst ist das hier mein Platz.
Seine dicke Rahmenbrille bedeckte fast sein ganzes Gesicht. Gütig hat er ausgesehen mit den speziellen Zügen eines Schlitzohrs mit goldenen Ohrringen.
Die Nähe meines Pergola Nachbars empfand ich beeindruckend interessant.

Wenn ich mit meinen Notizen fertig bin, gehen wir in die Koje. Ich bin der Brillen-Bernie und du bist der Penner.
Ich war verblüfft, wie schnell sich der Penner rumgesprochen hat. Mein Bauchgefühl hat mich nicht getäuscht. Brillen-Bernie ist ein Schlitzohr.
Unterwegs hat mich Bernie aufgeklärt, wer zur Poker Runde dazu gehört.
Penner, einmal ist es der Weizen-Willy, dann der Schlitten-Wolle, der Casino-Conny und meine Wenigkeit.
Weißt du, Poker ist für mich, wie das richtige Leben.
Mache ich alles richtig, falle auf die Schnauze.
Mache alles falsch, habe Erfolg.
Welchen Trick hast du drauf Bernie, fragte ich.
Penner, der Trick ist, dass es gar keinen Trick gibt. Du musst es halt erkennen können und das ist der Trick.

Inzwischen näherten wir schon der Koje und alle warteten bereits auf meine neuen, sehr spendablen Runden. Der Pokertisch hat sich gefüllt, Bernie war der letztdazu gekommener.
Eine Münze, ein wuchtiger Seitentritt und der uralte Musikbox krächzte einen längst abgedroschenen Schlager.
Noch ein Tritt, dann wurde es still.

Ihr müsst euch jetzt auf das Spiel konzentrieren, bemerkte ich verständnisvoll. Hätte ich es lieber nicht getan.
Schnauze du Dilettant, kam prompt von Casino-Conny.
Poker ist kein Spiel. Poker ist hohe Kunst.
Eine Kombination von Strategie und Glück, mit einem Plus für die Strategie.

Conny hat bestimmt Recht gehabt, ich hielt ab jetzt den Mund.
Meine Aufgabe bestand darin, dass ich nach jedem vollgeschriebenen Deckel bezahlen durfte.
Als ich einmal kurz frische Luft zu schnappen nach draußen ging, schrie Mona:
Penner, sofort kommen, wir sterben vor Durst.
Der Pils-Piesle hat auch nichts zu trinken.
Piesle schien von Allen der Bravste zu sein, schweigsam mit einem richtigen Pudel-Blick.
Er flüsterte mir zu, dass er früher auch zur Pokerrunde gehörte, aber leider so schwache Blase hat, dass er nach jedem halben Glas Pils schon in seine Hose gepinkelt hat.
Er schämt sich und deshalb ist er aus der Runde raus.
Und, wie machen es dann die Anderen? Ich hörte von Bernie, dass niemand aufsteht solange die Runde läuft, fragte ich.
Der Kübel-Charly kommt jede Stunde einmal, das wirst du schon sehen. Er kommt mit einer Kanne und hält alle ab. Deshalb brauchen sie gar nicht vom Tisch weg.
Für jedes Abhalten kann er sich pro Spieler einen Zehnen vom Tisch holen.
Ganz schönes Sümmchen, was für ihn dabei abspringt.

Kannst du mir erklären, warum der Schlitten-Wolle und der Casino-Conny sich so eigenartig verhalten, fragte ich Piesle.
Die beiden analysieren sich, finden ihre eingenommene Position am Tisch gut.
Dann machen sie so bestimmte Fratzen, Mimik und Bewegungen, damit ihre Selbstdarstellung stimmt.
Das beherrschen die beiden so gut, wie kein anderer. Auch das Nachdenken ist für die beiden eine Show.
Ohne Selbstkontrolle machen sie nichts.
Weißt du Penner, an einem Pokertisch muss man sich wohl fühlen, das ist sehr wichtig.
Ohne Worte habe ich Piesle Recht gegeben. Poker ist, wie das richtige Leben.

Nach kurzem Abschied genoss ich die frische Abendluft bei sternenklarem Himmel. Eine Imbissbude lockte mich mit Currywurst und Pommes an, danach war ich für heute wunschlos glücklich.
Ich träumte von gezinkten Karten, von falsch Mischen und Abheben.
Meine Nachtträume gingen hin bis zum Austeilen, was jetzt nicht unbedingt mit dem Poker zu tun hatte.

Am nächsten Tag sollte mir doch jemand in der Koje erklären, was passiert, wenn ein Pokerspieler seine Ehrlichkeit nicht im Griff hat.
Kluge Worte kamen von einem groß gewachsenen Gast. Er war stolz auf seinen Bauchumfang und prahlte damit, wieviel Geld er für den üppigen Umfang schon ausgegeben hat.
Danach fing er an mich aufzuklären.
Penner, wir fangen mit ein paar Kunstgriffen an, strotzte er mit seiner Aufklärung.
Ich bin der Campari-Carl und wie der Name schon sagt, Mia gib‘ mir gleich die Flasche, dann brauchst du nicht so viel laufen. Prost!
Penner, du musst jahrelang üben, um deine Mitspieler zu beeindrucken. Vor allem, übst du einhändiges Mischen.
Wir hatten hier mal so einen Zauberkünstler.
Der hielt einen kleinen Spiegel in den Fingern der rechten Hand verborgen und konnte beim Geben unter die Karten schauen. Der Schlaumeier hat nicht mit mir gerechnet.
Dem habe ich sowas von die Fresse poliert, dass er nachher vom Truck-Alfons weggebracht werden musste in die Klinik, zum Nähen.
Und dann?
Was soll sein? Der Truck-Alfons hat ihm noch ein paar Scheine abgeluchst, bevor er später zurückkam.
Vom Zauberkünstler haben wir nie wieder was gehört. Nur der Alfons hat uns leidgetan, der musste wieder auf Tour. Seine Chefin, eine richtige Giftschlange setzt ihn immer für die härtesten Touren ein.
Wenn du mich fragst, die will was vom Alfons, der merkt es nur nicht.
Dann der Ärger mit seiner Tochter. Die ist erst 2 Monate verheiratet und brennt mit einem anderen Mann durch.
Der Alfons schämt sich jetzt.

Penner, trinkst du eigentlich nie etwas, fragte mich Carl nachdenklich.
Doch, Wasser mit Eiswürfeln und Scheibe Zitrone.
Komischen Geschmack hast du Penner, aber wir haben nichts gegen dich.

Leuchtend blaue Augen, ein liebenswertes Erscheinungsbild und vier Stangen Porree setzten sich neben mir an die Theke.
Ein Pils, Mia mein Schatz, sagte er und zu meiner Verblüffung beharrte er nicht auf meine Wohltätigkeit.
Im Gegenteil, er lud mich ein.
Als ich ein Gespräch mit ihm eröffnen wollte, sagte er höflich: Die Zeit ist heute sehr knapp, mein Mann wartet schon. Heute gibt es Porree-Auflauf, meine Spezialität. Muss mich beeilen. Ich bin Paul, man nennt mich hier Porree-Paul. Wir sehen uns noch.

Porree-Paul passte in einer Weise nicht, aber dann doch zu den 14 Geschworenen. Es war der Kontrast, der ihn ausgemacht hat. Die liebevolle Art mit seiner Umgebung umzugehen war herzlich, freundlich und so selbstverständlich. Er strahlte eine enorme Hilfsbereitschaft aus. Als er die Koje verlassen hat klemmte sich sein Bündel Porree in den rissigen, bröckeligen Türrahmen. Es passte zu ihm, dass er sich dafür noch entschuldigt hat.

Mit aufgemotztem Krachen hielt ein Wagen an der Koje, Motor läuft, Scheiben runter, Hupe, Musik total.
Wir alle raus.
Aufgemotzt, wie das Auto, war auch sein Besitzer.
Das ist doch der Schlitten-Wolle. Hey, du spinnst, fuhr ihn Mia fauchend an.
Heute gebe ich aus! Mia, jedem was er will, hol‘ deine Mutter, Pfläumchen sind auch drin.
Ich bin ab heute Vollweise sagte er und wo andere gleich das Taschentuch rausholen zum nicht gerade ehrlich gemeinten Trauer, erzählte Wolle euphorisch, was passierte.
Mein Vater ist ja schon lange tot, das wisst ihr.
Jetzt ist auch meine leibliche Mutter gestorben die mich enterbt hat.
Warum hat sie dich denn enterbt, fragte ich.
Na halt, weil sie meinen Vater nicht mochte. Eine komplizierte Geschichte.
Sie hat alles meinem Cousin vererbt, den hat sie aber nie gesehen.
Jetzt wurde sie plötzlich krank und kam in aller Eile mit Notarzt ins Krankenhaus.
Als sie dort verstarb, suchte die Schwester im Telefonbuch nach einem identischen Namen und so erfuhr ich, was passierte.
Zuerst schnappte ich meinen Dietrich, dann schnell hin zu ihrer Wohnung, dort das Testament vernichtet, danach die Konten leer geräumt.
Anschließend fuhr ich zum Krankenhaus.
Das neue Auto und Designer Klamotten sind mein Waisengeld. Meine Frau hat auch ein paar Kleider bekommen.

Wer hat dir den Namen Schlitten-Wolle verpasst, fragte ich ihn.
Mia, stell‘ die Flaschen auf die Theke, ich erkläre es dir dann in Ruhe.
Es ist so. Ich war lange Angestellter in einem Betrieb zusammen mit drei Kollegen aus Süd-Italien. Die Kollegen haben sich satt gemacht und sind zurück.
Ich wurde selbständiger Vertreter meiner früheren Firma. Der Erfolg blieb aus, dann fielen mir die Kollegen ein aus Italien. Wir machen Bombengeschäfte miteinander.
Alle drei sind mittlerweile in ihren Städten Bürgermeister. Die können machen, was sie wollen.
Wenn ich morgens mein Auto total ausgehöhlt vorfinde, trink ich ein Espresso mit meinem Bürgermeister.
In dieser Zeit wird mein Schlitten zusammen montiert und auch noch gewaschen. Besser kannst du es nicht haben, oder? Jetzt überlegen wir mit Lilly meiner Frau, ob wir nicht ganz dorthin ziehen. Sie wäre einverstanden.

Meine 14 Geschworenen waren ehrlich. Jeder auf seiner Art. Es war keine gespielte oder berechnende Ehrlichkeit, wie ich es bis jetzt kannte.
Meine neuen Freunde haben mir gezeigt wie es ist Ganoven-Ehre zu haben, ohne Ganove zu sein.
Ich mochte jeden von ihnen und versprach mir selbst, sie irgendwann wieder zu sehen.
Mein Abschied fiel unkompliziert aus. Mach’s gut! Mach’s besser!

Wie ein Krake hat mich zu Hause meine Arbeit wieder eingefangen, doch irgendwas war anderes. Ich bin gelöster geworden, mir fiel vieles leichter.
Wenn die Wellen über meinen Kopf zusammen schlagen wollten, dachte ich abwechselnd immer an einen der 14 Geschworenen mit ihren Weisheiten.
Jahre später besuchte ich Bümmelbeck, um meine Freunde wieder zu sehen.
Die Koje stand nicht mehr, wurde abgerissen.
Mein erhofftes Wiedersehen gelang mir in der Pergola mit Brillen-Bernie.
Zu seinen Notizen über mich, hat er ein Musical komponiert.
Wir standen uns gegenüber wie alte Freunde.
Jetzt wollte ich wissen, wo die Anderen stecken.
Weißt du Penner, die Koje war ein magischer Ort. Ohne diese Kneipe sind alle spießig geworden.
Der Truck-Alfons hat seine Chefin geheiratet.
Der Weizen-Willy zog zu seiner Tochter ins Ausland.
Mekki der Beißer hat die Mia geheiratet.
Die Mona wohnt bei denen neben an, sie hat so lange an die Wand eingeschlagen mit ‚ich will ein Enkelkind‘, dass es tatsächlich geklappt hat.
Die beiden haben einen Sohn.
Bevor ich vergesse, seit seiner Hochzeit hat der Mekki wieder Zähne.
Der Campari-Carl hat sich mit Gedeck-Eksi zusammen getan und haben ein Kiosk weiter weg von hier.
Der Kübel-Charly und Casino-Conny sind Croupiers geworden.
Schlitten-Wolle ist mit seiner Frau für immer nach Italien.
Der Pils-Piesle ist Altenpfleger geworden und ist fast stubenrein.
Über Suppen-Gespenst und Lina brauche ich dir nichts sagen. Es war hoch anständig von dir, dass die beiden ihr gemütliches Café auf der Allee zurückbekommen haben.
Aus Freude haben sie geweint. Er trinkt nicht mehr.

Für Fifi-Frida legte ich am Nachmittag frische Blumen auf ihr Grab.

Bernie, über dich haben wir noch nicht gesprochen. Was machst du eigentlich?
Die Notizen von damals aus der Pergola, weißt du noch? Mit deiner Geschichte habe ich sie vervollständigt.

Deine Geschichte als Penner wird ein Musical, ich habe die Melodien bereits komponiert.

Penner, schaute mich Bernie mit seinen verschmitzten Augen an, wie heißt du mit richtigem Namen?
Ich bin Jo Rens.
Du bist der Schriftsteller-Jo? Das haut mich jetzt um. Ehrlich gesagt, Penner gefällt mir besser.
Ich besuche dich mal.
Wen, den Penner, oder den Jo?
Na wenn schon, dann den Penner-Jo.
Weißt du Penner, es gibt da noch so eine Geschichte von meiner Freundin Lisa, wir schreiben sie zusammen. Die Story wird auch ein Hit.

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